Riho Rannikmaa von Carolyn Todd Während
der Makuuchi-Kämpfe des 13. Tags des Osaka Basho saß ich in
den hintersten Reihen zusammen mit Riho Rannikmaa, dem
Generalsekretär des estnischen Sumoverbandes, und seiner Frau
Renata, die freundlicherweise als Übersetzerin fungierte. Riho
betreibt den Sakura Budo Club in Vinni, acht Kilometer von Rakvere
entfernt (der Ort, in dem 2006 die Junior World Amateur Sumo
Championships ausgetragen wurden) und ist ein alter Sensei, Freund und
Mentor von Baruto.
Carolyn Todd : Danke, dass wir uns heute hier treffen konnten. Sind Sie das erste Mal in Osaka? Riho Rannikmaa : Nein, wir waren hier schon oft bei Amateursumo-Veranstaltungen, aber es ist unser erstes Honbasho. Wir sehen sonst über den Stream zu, wenn wir hineinkommen! CT: Es ist Ihr erstes Basho? Was hat Sie dieses Mal nach Osaka gebracht, da ja Ihr Schützling Baruto wegen einer Verletzung fehlt? RR: Nun, wir wollten Kaido (Baruto) sehen und machten die Reservierungen, bevor er seine Auszeit bekanntgab, und so haben wir beschlossen, trotzdem zu kommen. CT: Konnten Sie hier schon mit ihm sprechen? RR: Ja, wir sahen ihn sogar heute nachmittag bevor wir zum Basho kamen, Er ist ziemlich genervt, dass er im Heya sitzen muss, während die anderen zum Basho dürfen. Wir wollten ihn eigentlich hier in der Nähe treffen, aber das geht natürlich nicht wegen all der Fans. CT: Wie geht es ihm? Ich weiß, dass ihn jeder vermisst und Neuigkeiten hören will. RR: Er wollte am Basho teilnehmen, aber letztendlich entschieden er und sein Oyakata, dass er wegen des schlechten Zustands seines Knies nicht starten sollte. CT: Das ist ziemlich überraschend, wenn man bedenkt, dass die übliche Vorgehensweise im Sumo „Zähne zusammenbeißen und durch!“ ist. RR: Ja, ist es, aber es war eine gute Entscheidung. Man muss an seine Zukunft denken, und es muss erst komplett ausheilen. Er hat gerade medizinische Behandlungen und erste Übungen. Im Basho im Mai wird er dann die Makuuchi wieder erreichen. CT: Wie geht es dem Sumo in Estland, nachdem Sie letztes Jahr Gastgeber für die World Junior Championships waren? RR: Wie alle wissen, kam Kaido nach Rakvere, um uns zu unterstützen, und das war eine große Hilfe. Das übliche Sumo-Publikum kam, aber viele Leute waren da, um Kaido zu sehen und haben dabei die Sumo-Veranstaltung miterlebt, also hatten wir eine größere Zielgruppe. Einen erfolgreichen professionellen Rikishi aus Estland zu haben, hat einen großen Effekt auf die Popularität des Sports. CT: Glauben Sie, dass das mehr junge Esten dazu bringen wird, mit dem Sumo anzufangen? RR: In Estland gibt es in den Schulen Sommer- und Winterolympiaden, und sie beginnen damit, auch Sumo auf den Plan zu setzen, also ja, die Popularität steigt. CT: Wie sind die Sumo-Einrichtungen in Estland? RR: Unglücklicherweise haben wir meistens nur ein Plastik-Dohyo, das flach am Boden liegt, die Atmosphäre ist also nicht besonders inspirierend. Für die Junior World Championships hatten lokale Arbeiter einen echten Lehmdohyo gebaut, und es war großartig! Die ISF war zufrieden mit unserer Konstruktion. (Anm. d. SFM: Riho wurde mit einem offiziellen Lobschreiben („Gaimu Daijin Houshou“) des japanischen Außenministers Taro Aso für seine jahrelangen Verdienste um das Sumo und die Förderung der japanischen Kultur in Estland geehrt.) CT: Wenn wir von der ISF sprechen, wie ist die Beziehung zwischen dem europäischen Sumo und Japan? RR: Wir selbst hatten immer einen guten Draht nach Tokyo. Gleich von Anfang an hatte uns Kazuo Kurazono, der mit der Familie von ISF-Präsident Hidetoshi Tanaka verwandt ist, 1996 auf Anweisung von Herrn Tanaka geschult und ermutigt, stärker involviert zu werden und an den Veranstaltungen teilzunehmen. Er ermutigte auch Kaido, nach Japan zu gehen und einem Heya beizutreten. Als er (Kaido) ankam, sprach er natürlich kein Japanisch und hatte keine Ahnung, was er tun sollte, und Herr Tanaka war sehr großzügig, er half ihm mit Unterkunft und Verpflegung, zeigte ihm, wo er hingehen musste und gab ihm andere wichtige Informationen. Nun ist Herr Kurazonos Sohn, der in Nichidai studierte und trainierte, zusammen mit Kaido im Onoe-Beya. CT: Wir sprachen vor kurzem mit Francois Wahl vom Sumoverband der Schweiz, der etwas besorgt ist, weil die ISF das Datum der World Championships geändert hatte und es ihn Sponsoren kostete. Wissen Sie etwas mehr darüber? RR: Ich weiß nicht, was das vor sich geht. Wir hatten Ende 2006 eine Bestätigung des Datums erhalten und noch nichts von einer Datumsänderung gehört. CT: In ein paar Monaten wird sich das Internationale Olympische Komitee treffen, um über eine mögliche Hinzunahme von Sumo abzustimmen – ist das ein realistisches Ziel für das Amateursumo oder gibt es noch zu viele interne Probleme und zuviel Kontrolle durch Japan? RR: Da Tokyo Olympia-Kandidat für 2016 ist und da Sumo der Nationalsport von Japan ist, kämpfen wir für eine Aufnahme in 2016. Wenn Tokyo gewinnt, wird es viel einfacher, dass dieser Schritt als selbstverständlich akzeptiert wird. Hätte Osaka die Spiele 2008 gewonnen, so wäre das unser Ziel gewesen, aber die Spiele gingen ja nach Beijing. Es wurde viel Geld investiert, die Championships zu unterstützen und dem IOK zu zeigen, wie hart wir arbeiten, und hier in Estland sind wir auch schon mit dem Estnischen Olympischen Komitee assoziiert, und wir erhalten Unterstützungsgelder, aber natürlich nicht soviel wie die offiziellen olympischen Sportarten. Es gibt immer interne Probeme in Sportverbänden, aber es scheint sehr viele Missverständnisse gegeben zu haben, als einige der Mitglieder im letzten Jahr in die USA gereist sind. (Anm. d. SFM: Einige der ISF-Mitglieder wurden von Veranstaltungen ausgeschlossen, nachdem sie 2006 in den Staaten an einer bezahlten Veranstaltung teilnahmen, die außerhalb des Amateurbereichs und damit außerhalb des Geltungsbereichs der ISF lag; zur Zeit sind diese Sperren noch gütig.) Was zu viel japanische Kontrolle angeht: Als Judo olympisch wurde, versuchten die Japaner, ihre eigenen traditionellen Regeln zu behalten, und die Änderungen gingen nur langsam voran. Judo ist ziemlich schwer zu verstehen, und daher trägt in internationalen Veranstaltungen ein Kämpfer weiß und der andere blau., um sie leicht unterscheiden zu können. Japan war damit nicht einverstanden, und in Japan tragen immer noch beide weiß, was eben ihre Entscheidung ist. Dasselbe trifft auf das Sumo zu. CT: Glauben Sie, dass Sumo als Publikumssport weltweit erfolgreich sein kann? RR: Oh ja, natürlich. Es war immer geplant, dass es ein Publikumssport wird, und verglichen mit anderen Arten des Ringen ist es auch sehr greifbar. Und die Regeln sind im Vergleich zu anderen Sportarten so einfach, dass jeder sofort verstehen kann, was vor sich geht. Es wird immer wieder angeregt, dass andere Arten des Ringes ihre Regeln vereinfachen sollten, um es für die Zuschauer verständlicher zu machen, aber wenn sie zuviel vereinfachen, dann haben sie Sumo! CT: Wenn man die professionelle Seite des Sports betrachtet, was denken Sie über die heute beschränkten Möglichkeiten für Nichtjapaner, dem Sport beizutreten? RR: Nun, das Amateursumo ist das Gewächshaus für das professionelle Sumo, aber Sumo ist Japans Nationalsport, und es ist natürlich, dass sie japanische Rikishi und keine ausländischen haben wollen. Sie könnten es sich wohl leisten, mehr als einen Ausländer pro Heya zuzulassen, aber ich denke schon, dass es eine Grenze geben sollte. Die Menschen in Japan werden das Interesse an ihrem Sport verlieren, wenn nur noch Ausländer daran teilnehmen, und der NSK braucht die Unterstützung der Einheimischen genauso wie jeder andere Sportverband. CT: Wie schwer, glauben Sie, ist es für einen Ausländer, sich an das traditionelle Leben im Heya anzupassen? RR: Ich denke, das muss sehr schwer sein. Sie sind jung, sie sind weit weg von ihrer Familie, ihren Freunden, ihrer Sprache und Kultur, und es ist ein hartes Leben. Ich denke, ausländische Rikishi müssen sehr entschlossen sein, um es durch das Heimweh und die anderen Schwierigkeiten einer Gesellschaft zu schaffen, bei denen sie zu Beginn nicht einmal verstehen, was vor sich geht. Sumo ist sehr schwer, es ist wie eine Berufung. Wenn man Judoka ist, kann man andere Arten des Ringen ausprobieren, aber Sumo ist Sumo, und nichts anderes darf den Fokus trüben. CT: Als Baruto zum professionellen Sumo kam, kam er mit einem anderen Esten nach Japan, der unglücklicherweise nach einer kurzen Zeit wieder aufhörte. Ist er zurück in Estland immer noch mit dem Sumo verbunden? RR: Ah, Ott Juurikas. (Anm. d. SFM: Kitaoji, zurückgetreten im August 2004.) Als er zurückkam, wurde er Estnischer Meister in der offenen Klasse des Amateursumo, aber er hat wegen seiner Gesundheit komplett mit dem Sumo aufgehört und hat jetzt eine normale Arbeit. CT: Gibt es andere gute Esten, die im professionellen Sumo eine Chance hätten? RR: Hmm, körperlich ja, mental nein. Kaidos Bruder ist zum Beispiel sehr gut, aber ich glaube nicht, dass er glücklich mit dem Heya-Leben wäre. Seine Schwester betreibt auch Shinsumo (Damen-Amateursumo) und sie ist auch ganz gut. CT: Da Sie das Shinsumo ansprechen: Hier in Osaka gibt es eine Gouverneurin, und sie stiftet einen Preis in diesem Basho, aber als Frau darf sie den Dohyo nicht betreten, also muss ihn immer ein Vertreter übergeben. Was halten Sie davon, da das Amateursumo ja Frauen genauso mit offenen Armen empfängt wie Männer? RR: Wir hatten das gleiche Problem in Tokyo mit dem Amateursumo, da wir die Shinsumo-Kämpfe nicht auf dem Dohyo im Kokugikan abhalten konnten. Ich denke, vom Standpunkt eines Außenstehenden sieht das sehr veraltet aus, aber wenn das die Tradition in Japan ist, was will man machen? Es ist nicht so, dass die Japaner dem Damen-Sumo gegenüber negativ eingestellt sind: Das estnische Damen-Team wurde damals eingeladen, 2001 an den World Games teilzunehmen, also gab es schon Anstrengungen, sie zu involvieren, und ihnen wird großer Respekt gezollt. Professionelles Sumo ist anderes, es hat sehr alte Traditionen. CT: Nach dem Erfolg der Junior World Sumo Championships 2006 in Rakvere hörte ich, dass Sie aufregende Neuigkeiten zu berichten haben? RR: Ja, Rakvere wird 2008 Gastgeber für die World Amasumo Championships sein! CT: Sie müssen sehr begeistert sein. RR: Ja, das war ein großer Triumph für Rakvere, eine kleine Stadt, die nur 18.000 Einwohner hat. Wir haben noch kein festes Datum bekommen, aber wir erwarten, dass es irgendwann im Oktober sein wird, und wir hoffen, dass Kaido und sein Oyakata Ehrengäste sein werden. Rakvere hat eine neue Sportarena für 3.000 Zuschauer und wir bauen gerade ein Hotel und ein Kurbad. Natürlich ist das Hauptproblem immer, genug Sponsoren zu finden, da die Firmen diese Gelder immer ein Jahr im Voraus planen, wir müssen also bereits jetzt damit beginnen. Wir erhalten keine staatliche Unterstützung, aber das Estnische Olympische Komitee hatte die Dopingkontrollen während der Championships 2006 unterstützt und wird das hoffentlich auch 2008 wieder tun, obwohl da sehr viel mehr Teilnehmer sein werden. Wenn es da draußen jemanden gibt, der interessiert ist, uns zu unterstützen, so würden wir sehr gerne mit ihm oder ihr sprechen. CT: Wie sieht die Zukunft des Sumo in Estland aus? Wie sollte es sich Ihrer Meinung nach entwickeln? RR: Ich würde gerne sehen, dass sich alle Arten von Ringen, Sumo eingeschlossen, in Estland unter einem Dachverband zusammenschließen, so dass wir etwas mehr Zusammenhalt haben. Auch die weltweiten Veranstaltungen sollten weiter vorangetrieben werden, um Unterstützer anzuziehen, so dass wir wachsen und uns weiterentwickeln können; die World Championships in Rakvere werden hoffentlich eine Menge Aufmerksamkeit erregen. CT: Zu guter Letzt, wenn man auf das Osaka Basho von unseren Sitzen in luftiger Höhe herunterblickt, wenn feuern Sie an (abgesehen von Baruto)? RR: Nun, ich mag Amas Kampfgeist und Kaio – ich schätze seine Gelassenheit sehr. CT: Auf dieses Schlusswort hin werden wir nun die letzten Kämpfe des Tages beobachten. Danke für das Gespräch mit dem SFM! Estonian Sumo Association Sõpruse 16, Vinni 46603 Lääne-Virumaa Estonia E-mail: sakura@estpak.ee http://sumo.rakvere.ee Sumo Fan Magazine Home |
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