S.O.S. (Shinjinrui on Sumo) von Chris Gould Im
letzten Teil der Trilogie beobachtet Chris Gould die strukturellen
Hindernisse, die – nach dem, was man hört – offenbar Japans
Unter-30-jährige davon abhalten, sich am Sumo zu erfreuen.
10. Januar 2007: Ein Wochentag, ein zu 45% gefüllter Kokugikan. Ein niedergeschlagener Engländer, der die Arena kurz für ein Foto verlassen hatte, kann seine Gefühle nicht mehr zurückhalten; als er von seinem Lieblings-Platzanweiser im Kokugikan mit den Worten "Konde imasen, ne?" ("Nicht gerade eine Menschenmenge, oder?") begrüßt wird, beklagt sich der Engländer in einem Japanisch, das wohlmeinend nur als "Pidgin" bezeichnet werden kann. Ein Oyakata in der Nähe, den es zweifelsfrei juckte, die Monotonie der Regeln zu brechen, überhört meine Bemerkung und antwortet. "Er sagt: 'Wartet bis zum Wochenende. Dann werden die Massen kommen'", ist die englische Übersetzung des Platzanweisers. Sicher, das Wochenende kommt, und auch die Massen; die Man'in Rei-Banner (ausverkauftes Haus) waren am folgenden Samstag und Sonntag zu sehen. Aber meine Zweifel keimen weiter. Ich verbrachte viel Zeit des achten Tags damit, zu überlegen, wie der japanische Sumoverband (NSK) – mit hunderten von Ringern, Oyakata, Offiziellen, Ratgebern und geistlichem Personal auf der Gehaltsliste – nur solvent bleiben kann bei durchschnittlich 6.000 verkauften Tickets pro Tag. Befände sich ein professioneller Fußballclub, Cricketclub, Rugbyteam oder – darf ich es wagen – die Lawn Tennis Assosiaction – in einer ähnlichen Situation, würde er innerhalb eines Monats Bankrott anmelden. Ich verkenne nicht mehr länger die lebensnotwendige finanzielle Unterstützung durch Koenkai, Kanemochi und anderes privates Sponsorentum, aber ich sehe die vermutlich begrenzten Möglichkeiten dieser Geber, Sumo immer wieder zu retten. Ich denke einfach, dass das Leben für den NSK viel einfacher wäre, wenn alle Turniere ausverkauft wären. Zentral für das Phänomen der leeren Sitzplätze sind, natürlich, Japans Unter-30-jährige. Obwohl sich der Begriff "Shinjinrui" ("neues Geschlecht") Stück um Stück aus den japanischen Wortschatz entfernt hat, wende ich es auf die japanische Jugend von heute an, da deren Blick auf das Leben – oder weniger weit betrachtet, auf Sumo – deutlich anders als der früherer Generationen ist. Die ersten beiden Teile hatten viele Theorien betrachtet, waum Shinjinrui wenig Interesse an Japans "National"sport haben, aber könnte es nicht einfach sein, dass es grundlegende strukturelle Hindernisse gibt (finanzieller, geographischer, logistischer oder organisatorischer Art), die die Shinjinrui davon abhalten, am Spaß teilzuhaben? Hoher Eintrittspreis? "Es ist nicht so, dass ich nicht zum Sumo gehen will", sagt Hiroshi, ein 25-jähriger Steward. "Ich gebe zu, es ist schwer, während des Tages zu Kämpfen zu gehen, aber was mich am meisten davon abhält, ist der hohe Preis für Tickets." Meine Interviews mit Shinjinrui bestätigen, dass Hiroshi für viele Gleichaltrige spricht. Der Grund, der von jungen Menschen am öftesten dafür angegeben wird, dass sie nicht zum Sumo kommen, ist der Ticketpreis. Mit den Worten der Sumojournalistin Liliane Fujimori: "Die Preise sind ziemlich hoch und... Leute mit bescheidenem Einkommen werden ohne Zweifel die Möglichkeit, Sumo live zu sehen, ausschlagen und sich stattdessen mit Fernsehübertragungen zufrieden geben." Das billigste Ticket für ein Turnier in Tokyo ist ein "Tageszugang", der etwa 2.100 Yen (13,50 EUR/17,50 USD) kostet. Aber viele Shinjinrui sind nicht bereit, sich um 5:45 anzustellen, um sich eine dieser 500 täglich verkauften Karten zu sichern, und besonders für die schlechte Belohnung: Ein Sitzplatz in den hintersten Reihen. Das nächstbilligere Ticket kostet 3.600 Yen (23 EUR/30 USD), und bringt den Käufer nur zwei Reihen näher an die Geschehnisse als ein Tageszugang. Die Sicht von diesen Plätzen ist immer noch zufriedenstellend, aber wenn ein Shunjinrui nur zwei Stunden Makuuchi sehen will, macht das 3.600-Yen-Ticket den Tag zu einem ziemlich teuren. Um sicher zu sein, dass die Sumotori ihre Anfreuerungsrufe hören, müssen die jungen Menschen irgendwie an die Masu-Seki-Plätze kommen, eine Gruppe von vier Zabuton (Sitzkissen) in den ersten Reihen der Arena. Unglücklicherweise sind es die Masu-Seki, die die Vorstellung der Shinjinrui von erpresserischen Ticketpreisen schüren. Der durchschnittliche Preis für eine Box ist etwa 40.000 Yen (255 EUR/333 USD), was etwa 64 EUR/83 USD pro Person entspricht, ein Preis, den viele Unter-30-jährige genausowenig zahlen können wie sie drei Freunde finden können, die mit ihnen zum Sumo gehen. Bei den zwei letzten Gelegenheiten, bei denen ich auf Masu-Seki-Plätzen sitzen konnte, ergab eine rasche Befragung meiner Nachbarn, dass diese Plätze Leute mit bestimmtem Hintergrund anlocken. Meine Kollegin, eine glamuröse kimonotragende Mittsechzigerin, war mit einem leitenden Angestellten verheiratet. Das Paar zur linken, das sich die Box mit Freunden teilte, hatte wegen der sehr gut dotierten Anstellung des Mannes zwei Jahre in England gelebt. An nächsten Tag machte ein gut angezogenes Paar mittleren Alters ihrem sumoliebenden Großvater in der Box hinter mir eine Freude, während vier Geschäftsleute in dunklen Anzügen und weißen Hemden in der Box rechts neben mir feierten (und offensichtlich überzeugt waren, dass allein die letzten 90 Minuten schon die 40.000 Yen wert waren). Der Masu-Seki-Sitzer ist eher über 50 als unter 30 und kommt fast sicher aus der Schicht der Sarariman (="salaryman"/Angestellter) oder einer höheren. Kurz gesagt ist diese Beschreibung Meilen von einem 25-jährigen Furita (="free timer"/Arbeiter, oft nur halbtags) mit "bescheidenem Einkommen" entfernt. Es ist daher für den NSK überlebenswichtig, die Shinjinrui zu erinnern, dass die Masu-Seki-Plätze, obwohl sie teuer sind, sicher nicht außer Reichweite liegen. Er muss immer daran erinnern, dass die Kämpfe schon um 8:30 beginnen, schon lange bevor die TV-Kameras überhaupt überprüft werden, und sollte den jungen Leuten vorschlagen, den Besuch einer Sumoarena zu einem "Tagesausflug" (vermutlich am Wochenende) zu machen. Der NSK muss die Tatsache nennen, dass die meisten Zuschauer nicht vor 14:00 ankommen und dass die jungen Leute, die billigere Plätze gekauft haben, sich gerne einen der teureren Masu-Seki leihen dürfen, bis deren rechtmäßige Besitzer auftauchen. Obwohl sie nicht in Reichweite eines Asashoryu oder Kotooshu kommen werden, können die jungen Ticketbesitzer den Nervenkitzel erleben, ganz nah an einem Jonokuchi-, Jonidan- oder Sandanme-Kampf zu sitzen und sensationelle Fotos machen. Der NSK sollte auch das "Tageszugang"-Schema erweitern, um die Bekämpfung der leeren Ränge unter der Woche zu unterstützen. Es war betrübend, dass Dejimas Sieg über Asashoryu, einer der größten Überraschungssiege der letzten fünf Jahre, von nur knapp 4.000 Menschen am dritten Tag des Hatsu Basho verfolgt wurde. Mit dem Wissen um die schlechten Verkäufe hätte der NSK alle Tickets für den dritten Tag am Ende des zweiten Tages mit Rabatt verkaufen sollen. Die Kassen hätten von 18:00 an 90 Minuten in der Hoffnung öffnen sollen, dass begeisterte Fans, die eigentlich nur am zweiten Tag kommen wollten, von den Schnäppchenpreise für den folgenden Tag in Versuchung geführt werden könnten. Die Rabattaktionen hätten dann am dritten Tag von 9:00 bis 16:00 weitergeführt werden können, bis alle Plätze belegt gewesen wären. Es gibt natürlich zwei Probleme bei dieser Herangehensweise. Zuerst könnten natürlich schlaue Kunden niemals Tickets im Voraus kaufen, um so immer Rabatte zu erhalten. Das könnte zu Umsatzverlusten für den NSK und vielen logistischen Kopfschmerzen führen, die von Massen von Last-Minute-Käufern hervorgerufen werden, die plötzlich am Kokugikan auftauchen. Der NSK sollte dieses Problem dadurch ausräumen, dass die rabattierten Tickets nur für Makuuchi-Kämpfe oder nach 15:00 gelten. Mit Tageszugang für die Tickets zum normalen Preis bleibt ein Anreiz für die Liebhaber, die Tickets im Voraus zu kaufen. Das zweite Problem beschäftigt sich mit der Wahrscheinlichkeit, dass der NSK verbilligte Tickets als das beschämdende Zugeständnis sieht, dass die Popularität des Sumo immer weiter abnimmt. Der Verband muss daher abwägen, ob das Füllen von leeren Plätzen beschämender ist als das Ertragen dieser. Offener Verband? Auch wenn die Ticketpreise ansprechender wären, würden sich noch einige Unter-30-jährige darüber beschweren, dass Sumo nicht offen genug ist. "Die Basho sind nirgendwo, wo ich lebe", ist die übliche Leier. Traditionellerweise will das professionelle Sumo diese Vorurteile durch die Jungyo-Touren ausräumen, die Top-Sumotori zwischen den Basho in weit entfernte Städte bringen und sicherstellen, dass diese Schauturniere in Gemeinden ausgetragen werden, die keine Hoffnung haben können, jemals ein Basho auszurichten. In der Glanzzeit des Sumo waren entfernte Orte mehrere Tage lang ausverkauft und sorgten zweifellos für mehr Unterstützung aus schwer erreichbaren Gegenden. Aber in den letzten Jahren ging die Nachfrage nach Jungyo-Touren zurück. Das traurigste Beispiel ist der Verfall der Jungyo-Tour durch Sapporo, die früher vier Tage lang ausverkauft war, aber mittlerweile damit kämpft, alle Tickets für nur einen Tag an den Mann zu bringen. Obwohl mehrere Oyakata zu verschiedenen Zeiten gebeten wurden, das System zu überprüfen, und die jährliche Zusammenfassung der Sumo World zeigte, dass in 2006 mehr Jungyo-Touren stattgefunden hatten als in den Jahren davor, bleibt die Frage, ob Jungyo die beste Möglichkeit ist, Sumo den Menschen näher zu bringen. Einfach gesagt sollte Jungyo da fortgesetzt werden, wo es sich als populär erweist. Wenn man Leute überzeugen muss, dass es wert ist, Zeit und Geld zu investieren, gibt es keine bessere Waffe als den persönlichen Kontakt. Aber die wirklichen Stärken des NSK auf dem Gebiet der Offenheit liegen eher in den "Stammgebieten" und müssen dringend vermarktet werden. Die erste Stärke – das Angebot von hautnaher Action für jeden, der früh genug ankommt – wurde bereits besprochen. Die zweite Stärke ist die Offenheit der Ringer selbst. Grob gesagt verschreibt sich das profesionelle Sumo nicht dem augenscheinlichen "Bunker", in dem die UK Premier League oder das internationale Cricket lebt, was darin resultiert, dass die Trainings für die Stars fernab von den Fans und manchmal sogar hinter verschlossenen Türen ablaufen. Sumo wird, solange einem Stall nicht finanziellen Nöte nachgesagt werden, er durch interne Querelen uneinig ist oder früher unschöne Erfahrungen mit Besuchern/Fremden hatte, den jungen Menschen die höchstmögliche Nähe zu ihrem Lieblingsrikishi bieten. Wenn Shinjinrui einen Tag vorher bei einem Stall anrufen, oder freundlich persönlich vorsprechen, werden sie während dem Asageiko ein paar Stunden in Reichweite ihrer Sumohelden sitzen können und sehr wahrscheinlich die Chance haben, mit ihnen zu sprechen oder sie um ein Foto zu bitten. (Bei Amateur-Turnieren ist es sogar noch einfacher, die Stars zu "belästigen" und zu fotographieren.) Sogar wenn ein Stall Asageiko für die Öffentlichkeit nicht zugänglich macht, kann man in den Gängen des Kokugikan leicht niederrangigere Ringer und berühmte Ex-Sekitori (vor allem unter den Oyakata) sehen, die sich in den Schangen vor den Snack-Bars einreihen. Es ist sehr hilfreich, diese Personen zusammen mit jemanden anzusprechen, der sie kennt, aber auch wenn das nicht möglich ist, werden sich einige ehemalige Sumotori gerne in ein Gespräch verwickeln lassen, wenn man sie mit einem besonderen Detail ihrer Karriere verblüfft! Wie der Chefredakteur des SFM an anderer Stelle betont hatte, wird das professionelle Sumo auch offener gegenüber nichtjapanischen Fans. Mindestens zwei der Anweiser im Kokugikan sprechen fließend englisch und englische Informationen und Kampfansetzungen für die beiden obersten Divisionen sind kostenlos erhältlich. Die Homepage des NSK wurde natürlich komplett ins Englische übesetzt, und Ställe wie das Musashigawa-Beya hatten englischsprachige Chaträume ins Leben gerufen. Wie schon weiter oben bemerkt, werden einige Japaner argumentieren, dass diese Informationen nur denen nützen, die nahe genug sind, um in Person an einem Keiko oder Basho teilzunehmen. Aber ich finde das Argument, dass es so wenige Sumozuschauer gibt, weil die Basho in so wenigen Städten stattfinden, eher schwach. Es fängt damit an, dass ein paar der Nicht-Sumofans, die mir gegenüber dieses Argument vorgebracht hatte, tatsächlich in einer die vier Städte leben, in denen die Basho abgehalten werden! Die Frage ist sicher nicht, ob Sumo geographisch gesehen jedem zugänglich ist, sondern ob Sumo geographisch gesehen genug Menschen zugänglich ist, um jeden Platz während eines Turniers zu besetzen. Letzteres muss zutreffen, wenn man bedenkt, dass in Tokyo, Osaka, Nagoya und Fukuoka insgesamt 14 Millionen Menschen leben (die Zahl erhöht sich auf 18,5 Millionen, wenn man den Großraum Tokyo mitzählt). Wenn nur fünf Prozent dieser Menschen dazu ermutigt werden könnten, das Basho einige Tage mit ihrer Anwesenheit zu beglücken, könnten die verfügbaren Plätze nur schwer die Nachfrage stillen. Das einzige Thema, bei dem der Zugänglichkeitsfaktor des Sumo nach unten geht, sind die Frauenrechte. Niemand bestreitet, dass weibliche Zuschauer sehr gut behandelt werden, aber es bleibt Realität, dass wegen der Rücksichtnahme des Sumo auf die Shintobräuche keine Frauen auf den Dohyo steigen dürfen. Die totale Abwesenheit von weiblichen Sumotori und Offiziellen fällt besondens jungen nichtjapansichen Frauen in der Menge auf. "Das heißt, hier sind Frauen überhaupt nicht involviert?" fragten mich zwei kanadische Studentinnen nach nur fünf Minuten in der Sumoarena. Ich konnte nur betonen, dass das Amateursumo – nicht ans Shinto gebunden – sehr offen für Frauen ist und dass es der Schlüssel zu der zukünftigen Popularität des Sports sein könnte. Olympische Vorstellungen? In den höchsten Rängen des Amateursumo herrscht die starke Ansicht, das der olympische Status die öffentliche Wahrnehmung des Sumo erhöhen, neue Inverstoren anziehen und so die internationale Popularität der Disziplin erhöhen würde. Aber die Vertretung bei den Olympischen Spielen wird niemals Realität ohne die Billigung des NSK, und das scheint in naher Zukunft nicht der Fall zu sein. Mehrere Mitglieder des NSK, darunter ein ehemaliger Yokozuna, behaupten, dass der olympische Status Sumo nicht nur von einer würdevollen Kampfkunst zu einem gewöhnlichen Sport degradieren würde, sondern auch Sumo von seinen japanischen Traditionen trennen würde, die angeblich der Kern der Identität des Sumo sind. Zusätzlich sagen sie, dass die Olympioniken Sumo nur als "Arbeit" sehen, einen Zeitvertreib, der in regelmäßigen Abständen aufgenommen und wieder beendet wird, wohingegen wahres Sumo eine "Lebensart" ist und totale Hingabe verlangt. Wegen den Verbindungen zum Shinto, das Frauen unterordnet, ist der NSK auch dagegen, die olympische Ansicht zu akzeptieren, dass Männer und Frauen die gleichen Teilnahmerechte haben. Man hatte gehofft, dass, wenn Osaka die Olympischen Spiele 2008 hätte holen können, die sumoverrückte Gouverneurin der Stadt um das erste olympische Sumo-Turnier gekämpft hätte, zweifellos in der Hoffnung, dass die japanische Umgebung den NSK besänftigt hätte. Aber die Spiele 2008 gingen nach Beijing, und obwohl die folgenden Spiele in einer Stadt stattfinden, die oft als die offenste der Welt beworden wird (London), bleiben die Amateure pessimistisch, dass ihre Sportart dort auftauchen wird. Eine Quelle behauptete fest, dass olympisches Sumo im Jahr 2016 beginnen könnte, machte aber ein verdrießliches Gesicht bei der Abwägung der Wahrscheinlichkeit, dass der NSK zustimmen wird. Wenn der Widerstand gegen olympische Akkreditierung nur auf dem Bewahrenwollen der japanischen Traditionen beruht, dann wirkt eine solche Opposition mehr und mehr bedeutungslos. Sogar wenn man die ignoriert, die die japanischen Wurzel des Sumo in Frage stellen, bleibt doch die Tatsache, dass über 80 andere Länder Sumoverbände gegründet haben, unabhängig davon, ob die Disziplin auf olympischer Ebene anerkannt wird. Verschiedenste Menschen auf dem gesamten Planeten leben Sumo schon lange auf ihre eigene Art und passen es auf ihren eigenen Lebensstil an. Amateursumo-Turniere wie die US Sumo Open werden jedes Jahr abgehalten – und gut unterstützt. Viele der Teilnehmer in diesen Turnieren sind weiblich. Wenn man es so sieht, wäre der olympische Status nur eine Formalität für das, was sowieso schon passiert. Auf der anderen Seite sollte der olympische Status aber nicht als das Allheilmittel für sämtliche Probleme des Sumo gesehen werden. Es ist wahr, dass dieser Schritt es wahrscheinlich dem Amateursumo ermöglichen würde, Leute zu erreichen, die es sonst ignoriert hätten, und das Frauensumo würde auch einen enormen Schub erhalten, aber es ist auch wahr, dass vor kurzem der olympischen Familie beigetretene Sportarten wie Curling immer noch nur unbedeutende Aufmerksamkeit der Medien erhalten, und (zumindest in Großbritannien) sogar wichtige Personen der etablierten olympischen Sportarten wie Turnen und Skifahren sich regelmäßig über Nichtbeachtung durch die Medien und zuwenig Mittel vom Staat beklagen. Fazit Aufgrund des Tonfalls einiger Absätze kann den Lesern verziehen werden, wenn sie nun denken, dass Sumo von keinem Shinjinrui gesehen wird. Ich sollte betonen, dass dies nicht der Fall ist. Einige Shinjinrui sehen Sumo, aber nicht genug. Die Zusammensetzung des Publikums in den letzten Basho in Tokyo legt nahe, dass mehr Shinjinrui Sumo eine Chance geben; aber wenn man ein Fußballspiel oder – wenn man es ertragen kann – eine abendliche Tarento-Show (="Talent"/Promi) wie Music Station ansieht, wird man sehr viel mehr junge Leute finden, besonders weibliche, als man jemals in einer Sumoarena zu Gesicht bekommen wird. Auf der Habenseite gibt es einen ansehlichen Zuwachs in der Zahl der Nichtjapaner unter 30, die zu Sumo-Turnieren gehen. Einige wurden offensichtlich von japanischen Freunden ermuntert, aber andere wurden von einer neuen Kampagne des Tourismusministeriums angezogen, die Sumo als "typisch japanische" Erfahrung vermarktet, die auf der Muss-Liste eines jeden Gaijin auftauchen sollte. Diese Marketingtaktik scheint eine sehr kluge zu sein; zwischen 1996 und 2006 hatte sich die Zahl der ausländischen Besucher in Japan fast verdoppelt (Quelle: www.tourism.jp). Ein weiteres Plus ist, dass man im ganzen Kokugikan verstreut Indizien findet, die darauf hindeuten, dass vielleicht, nur vielleicht, die Einstellung der Shinjinrui zum Sumo sich zum Besseren wandelt. Die jungen Frauen, die sich die Lippen lecken, wenn die Kotooshu am Ring fotographieren, gepaart mit dem Erscheinen von Hanako Dosukois Buch "Cute Sumo" ("Schnuckeliges Sumo"), könnten das unerwartete Wiederaufleben des Konzepts Sumotori = Sex-Appeal signalisieren. Währendessen scheinen sich einige junge Männer im Publikum mit Asashoryus extrovertierter Persönlichkeit zu identifizieren, und sehen Takamisakaris Faxen vor einem Kampf als die eines ziemlich coolen Comedians. Aber ich bleibe weniger überzeugt als der NSK, dass diese Entwicklungen ein Geschenk von Mutter Natur sind; dass Sumo irgendwie automatisch in der öffentlichen Meinung wieder nach oben gehen muss nach mehreren Jahren ist der Wüste. Wenn die Popularität jemals einen zyklischen Trend gefolgt war, dann endete dieser in den frühen 1990er-Jahren. Einige Jahre lang wurde der Schwund der Hauptuntersützung durch das riesige Projekt maskiert, das von Waka und Taka angestoßen wurde, die Medienpräsenz, die die Shinjinrui stark ansprach. Verdeckt von der Waka-Taka-Blase gab es aber die unbestreitbare Tatsache, dass die hingebungsvollsten Unterstützer des Sumo immer älter wurden und – aus einer Reihe von Gründen – ihre Liebe zum Sumodo nicht an die jüngeren Verwandten weitergeben konnten. Als die wuchernde Regenbogenpresse und Tarento-Kultur die Jugend und das Gefühl, jung zu sein, wie nie zuvor in den Blickpunkt rückte, schien Sumo sehr schnell zu altern und stand plötzlich im krassen Gegensatz zu den Werten der Gesellschaft, in der es eingebettet war. Sumo wurde von den Unter-30-jährigen in einer nie dagewesenen Menge verachtet, und ging unter in den unzähligen neuen Sportarten, besseren Kommunikationstechnologien und dem mit bisher nichts zu vergleichendem Konsumdenken, die die Gedanken der Jugend fesselten. Wenn der daraus resultierende Umschwung in der Einstellung der jungen Japaner unumkehrbar ist – und es gibt genug Anzeichen, dass dem so ist – kann es nicht als ein möglicherweise zyklisches Phänomen betrachtet werden. Vielmehr ist das professionelle Sumo in Gefahr, wie eine kränkelnde, traditionalistische politische Partei zu wirken. Sie scheint zu verleugnen, dass die Weltanschauung ihrer Wähler sich geändert hat, dass sie nicht mehr genug offene Türen einrennen kann, weil es erheblich weniger Türen gibt. Der NSK kämpft darum, mit dem geänderten Wählerwillen zurechtzukommen und hat nicht erkannt, dass das Publikum aus Konsumenten rekrutiert werden muss, die auf der Suche nach dem besten Angebot sind und nicht einfach Personen, die ihre Herzen fest ans Sumo tackern. Es kann einzelne Dinge geben, die Sumo sagt oder tut, und die eine Saite im konsumierenden Publikum berühren, aber wenn das gesamte Paket der öffentlichen Zustimmung ausgesetzt wird, wird sie üblicherweise zu Gunsten moderner aussehender Alternativen verweigert. Es bleibt die Tatsache, dass an jedem Tag in einem Tokyo-Basho etwa 3.500 Tickets nicht verkauft werden (die Zahl steigt in Fukuoka), und dass die Beziehungen zwischen der Sumowelt und der Shinjinrui weit davon entfernt sind, perfekt zu sein. Ich bin sehr erfreut, dass Sumo versucht, die Samurai-Tradition zu erhalten, so dass die Menschen meiner Generation weiter eine Welt beoachten können (und versuchen, sie zu verstehen), die es auf den Straßen nicht mehr gibt. Möge das lange so weitergehen. Aber am Sumo muss sicher herumgebastelt werden, wenn der Sport auch im 21sten Jahrhundert aufblühen und erneut die Herzen und Gedanken der Japaner fesseln soll. Der Kehrreim des Reformers wird immer der folgende sein: "Das Ende muss das Gleiche bleiben, aber der Weg dorthin nicht." Ich hoffe, dass diese Philosophie in den nächsten Jahren Japans Nationalsport zumindest ansatzweise durchdringt. Wie diese Artikeltrilogie hoffentlich zeigt, gibt es Gründe zur Selbstprüfung. Sumo Fan Magazine Home |
|
|