Kimarite-Fokus #9
Tsuridashi, tsuriotoshi, okuritsuridashi
  und okuritsuriotoshi

von Mikko Mattila

Den Gegner hochzuheben und ich aus dem Ring zu tragen ist eine sichere Methode, um Applaus von der Menge zu bekommen. Das gilt besonders im Sumo, wo Gewicht eine große Rolle spielt und die Gegner tendenziell schwerer sind, was das Heben noch anspruchsvoller macht. Auf der anderen Seite erlaubt ein Mawashi einen ganz guten Griff, um schwer zu heben. Es gibt vier offizielle Techniken, die aus Hochheben des Gegners und dann entweder Hinaustragen oder zu Boden werfen bestehen. Tsuridashi, Tsuriotoshi, Okuritsuridashi und Okuritsuriotoshi sind die in dieser Ausgabe beleuchteten Kimarite.

Nur Tsuridashi ist mehr oder weniger häufig, was natürlich auch von der Definition von "häufig" abhängt. Seit dem Hatsu Basho 1990 war der Anteil an Tsuridashi in Makuuchi-Kämpfen etwa 0,6%, und diese Zahl ist sogar noch über der aktuellen Lage wegen des Rückgangs der Tsuridashi-Siege verglichen zu den frühen 1990er Jahren. Warum sieht man Tsuridashi denn nicht öfter? Vielleicht wegen der beträchtlichen Belastung des unteren Rückens, dem Gewicht der Gegner und der Tatsache, dass ein Angreifer in einer Position, in der Tsuridashi eine brauchbare Möglichkeit ist, gewöhnlich schon in einer so starken Position ist, dass das traditionellere und sicherere Yorikiri vorgezogen wird.

Bei Tsuridashi greift der Angreifer an den Gürtel seines Gegners, oder, in höchst seltenen Fällen, legt einen Armgriff an, mit dem er die Arme des Gegners von oben niederdrückt, und aus einer dieser Positionen hebt er den Gegner hoch und trägt ihn aus dem Ring. Die beste Ausgangslage für Tsuridashi ist natürlich ein Morozashi-Griff, wo beide Hände den Gürtel des Gegners innerhalb der Arme des Gegners greifen. Aus dieser sehr vorteilhaften Position kann der Angreifer die Situation besser kontrollieren und ziemlich gut einen festen Griff ansetzen. Aber wie schon oben bemerkt, ist Morozashi schon ein sehr entscheidender Moment des Kampfes, und nur selten kann man nicht auch einen Yorikiri-Sieg versuchen. Es gibt einige Ausnahmen bei dieser Faustregel. Der ehemalige Ozeki Takanonami war einer der wenigen Rikishi, die viele Kämpfe mit Tsuridashi gewannen, wenn sein Gegner Morozashi hatte. Takanonami benutze einfach seinen klassischen Kime-Armgriff um die Arme seines Angreifers niederzupressen und hob ihn dann hoch und aus dem Ring. Von den momentanen Rikishi hat Baruto eine ähnliche Reichweite und genug Kraft, um einen ähnlichen Griff anzusetzen. Tsuridashi aus der üblichen Eine-Hand-innen-eine-Hand-außen-Position ist seltener, da es dem Gegner die Möglichkeit gibt, sich mehr zu winden und den eigenen Griff am Mawashi dazu zu benutzen, das Hochheben zu blockieren. Manchmal kann man es am Rand des Rings sehen, wenn ein Angreifer einen Yorikiri-Ansatz dadurch beendet, dass er mit seinem Bauch den Gegner über die Tawara hebt.

Eine Variation von Tsuridashi ist eine Reaktion auf einen Wurfversuch der Gegners. Das beste Beispiel dafür konnte man im Nagoya Basho 2004 sehen. Am elften Tag, als Asashoryu einen Wurf versuchte, reagierte Kyokutenho auf Asashoryus Körperdrehung durch einen sofortigen starken Griff an dessen Mawashi und konnte ihn leicht hochheben und mit ungewöhnlich wenig Aufwand aus dem Ring hinausdrängen, in kürzester Zeit.

Der Belastung des Rückens ist eine offensichtliche Gefahr, wenn man Tsuridashi ausführt. Einen unbeweglichen und sich nicht wehrenden Rikishi von 150kg aus einem Morozashi-Griff heraus hochzuheben, ist leicht für Makuuchi-Rikishi, aber die Situation ändert sich schlagartig, wenn sich der Gegner wehrt und ständig seinen Schwerpunkt ändert. Das schnelle und unerwartete Verschieben des "Massezentrums" seines Gegners erzeugt einen ordentlichen Druck auf den Rücken des Hebers. Einige Rikishi haben erzählt, dass sie sich bei Tsuridashi ihre Rücken verletzt haben. Der Griff ist üblicherweise relativ weit weg vom Oberkörper und hat daher subobtimale Hebel- und Hebebedingungen und setzt den unteren Rücken ungewolltem Druck aus. Es wäre ein sehr seltener Anblick, wenn ein Rikishi mit Problemen im unteren Rückenbereich trotzdem Tsuridashi versuchen würde. Man braucht außerdem einen stabilen Unterkörper und starke Trapezmuskeln, um die Kunst des Tsuridashi auszuführen.

Tsuridashi ist eine Krafttechnik, aber nicht nur besonders kräftige Rikishi versuchen es. Einige Rikishi der letzten fünfzehn Jahre, die eine Vorliebe für diese Technik entwickelt haben, sind die "Könige des Tsuridashi". Kirishima (29 Tsuridashi seit Hatsu Basho 1990, und sogar noch mehr davor), Takanonami (19, viele aus einem Kime-Griff heraus), Kotoryu (14, meistens aus Morozashi) und Asashoryu, der bisher sieben Tsuridashi-Siege hat. Baruto ist vielversprechend und Hakuho hat diese Technik definitiv in seinem Repertoire.

Tsuriotoshi ist die extreme Version des Tsuridashi. Es benutzt die gleichen Techniken mit der Ausnahme, dass der Angreifer den Gegner zu Boden auf seinen Rücken oder die Seite wirft. Morozashi ist im Grunde ein Muss, um diesen Kimarite versuchen zu können. Oft ist ein deutlicher "Angeber"- oder "Revanche"-Aspekt nach einer überraschenden oder üblen früheren Niederlage gegen den Gegner dabei. Nur sieben Tsuriotoshi wurden in der Makuuchi-Division seit Hatsu Basho 1990 gesehen. Die letzten drei tragen Asashoryus Handschrift. Zweimal fand er 2004 seinen Weg zu einem tiefen Morozashi gegen Kotomitsuki und hätte leicht mit so ziemlich jedem Kimarite gewinnen können, aber er entschied sich für den eindrucksvollen.

Okuritsuridashi und Okuritsuriotoshi wurden 2001 der offiziellen Kimarite-Liste hinzugefügt. Der einzige Unterschied zu Tsuridashi und Tsuriotoshi ist, dass der Angreifer hinter dem Gegner steht und von dort ausführt. Zwei offizielle Okuritsuridashi gab es in der Makuuchi-Division seit der Einführung 2001, aber Kyokushuzan besiegte Takatoriki schon 1999 damit: Nachdem er ihm lange Zeit in einer sicheren Siegposition hinterherjagte, hob 'Shuzan Takatoriki hoch und stellte ihn außerhalb des Rings ab, sehr zur Heiterkeit der Zuschauer. Damals wurde es als Tsuridashi festgehalten. Okuritsuriotoshi ist die ultimative "Angepisst"-Technik und man könnte es für den Versuch einer Demütigung halten. Der Verteidiger ist in einer total hilflosen Position und trotzdem setzt der Angreifer noch so nach, dass die Hebung kippt und der Verteidiger auf seinem Rücken oder auf seiner Seite landet.
 

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